Konzerte:
8. Dez. 2000
ehem.
Klosterkirche
Lorsch/ Bergstrasse
19. Sept. 2003
Krypta des
Doms zu Speyer
21. Sept. 2003
Klosterkirche
Eußerthal/
Pfalz
18. Sept. 2005
Klosterbasilika
Knechtsteden/
Köln
|
Eines
der bedeutendsten
Kunstwerke der karolingischen Literatur ist das »Liber
evangeliorum«
des Weißenburger Mönchs Otfrid (ca. 800-870). Es handelt
sich
um eine zwischen 865 und 868 in Weißenburg im Elsaß
vollendete
Endreimdichtung der Evangelienharmonie in südrheinfränkischer
Sprache. Otfrid war Schüler der bedeutenden Fuldaer Klosterschule,
damals ein Mittelpunkt für das religiöse und geistliche Leben
der Karolingerzeit. Sie hatte ihren Aufschwung und Ruhm dem Gelehrten
Abt
Hrabanus Maurus (784-856) zu verdanken, zu dessen bedeutenden
Schülern
auch der spätere Reichenauer Abt Wahlafrid Strabo und zahlreiche
Gelehrte
und Äbte des Klosters St. Gallen gehörten.
Otfrid widmete die
Evangelienharmonie seinen
St. Gallener Freunden Hartmut und Werinbert. Möglicherweise ist
das
Exemplar, das heute in der Heidelberger Universitätsbibliothek
aufbewahrt
wird, jene Handschrift des Liber evangeliorum, die sich
ursprünglich
im Kloster St. Gallen befand. Ein Beleg dafür ist die Tatsache,
daß
über einigen Versen Neumen notiert wurden. Es handelt sich dabei
um
die nach diesem Kloster benannten Zeichen, die die St. Gallener
Schreiber
auch zum Notieren der Melodien in den alten Handschriften des
Gregorianischen
Chorals benutzt haben, und die einzigartige Informationen zum Vortrag
und
zum Verständnis der Melodien bieten. Wir gehen deshalb davon aus,
daß Otfrids Dichtung in weiten Teilen gesungen vorgetragen wurde.
Auf dieser Basis haben wir versucht, Teile daraus zu rekonstruieren, um
sie im Konzertprogramm »Sicut locutus est -Die Verheißung
des
Messias in Gesängen und Dichtung aus der Zeit der
Karolinger«
vorzustellen.
Um das Werk in einen
größeren
Zusammenhang zu stellen, haben wir das Programm mit Gesängen aus
den
um 1000 entstandenen neumierten liturgischen Handschriften aus der St.
Gallener Schreibschule ergänzt. Es handelt sich dabei vorwiegend
um
Responsorien zum nächtlichen Stundengebet. Somit entstand eine
Form,
die den Nocturnen zu den Hochfesten nahesteht, und in der die
Dichtungen
des Otfrid quasi die Funktion der Lektionen übernehmen. Von
besonderer
Wichtigkeit ist dabei die Handschrift des Inklusen Hartker. Er
ließ
sich dreißig Jahre in einer Zelle einmauern, wo mit dem
Antiphonarium
officii (Cod Sang. 390/391) eine der bedeutendsten Musikhandschriften
des
Mittelalters entstand. Bestaunenswert ist dabei seine Schrift,
Illuminierung
und Neumen-Notation, die von höchster Kunstfertigkeit,
Musikalität
und Disziplin zeugen.
Nach dem Wissen des derzeit
führenden
Otfrid-Forschers Prof. Dr. Wolfgang Kleiber (Mainz), mit dem wir
über
dieses Programm in Kontakt stehen, ist unsere Bearbeitung des
Heidelberger
Otfrid-Codex der einzige in die Praxis umgesetzte
Rekonstruktionsversuch
in neuerer Zeit. Das Programm wurde im Sommer 2005 mit dem SWR
produziert und ist im Sommer 2006 als CD erschienen.
|